Mein heutiges „Alois Selker: ganz persönlich“ knüpft direkt an meine Gedanken vom letzten Beitrag an (hier zum Nachlesen: Vom Stellenwert und der Wertschöpfung). Kurz zusammengefasst in meinem Wunsch, dass wir uns entlang der gesamten Wertschöpfung – Rohstoff-Erzeugung, Verarbeitung und Vertrieb - entsprechend wertschätzen. Damit verbunden ist auch die Frage, wie wir zu einer Preisbildung kommen, mit der wir alle leben können und das Produktionsrisiko abgedeckt wird. Kostendeckung allein ist dabei zu wenig. Ich möchte bewusst von ertragsbringender Preisbildung reden.
Dafür müssen wir gedanklich nochmals einen kleinen Schritt zurückgehen. Und den Finger gleich mal in die Wunde legen. Eine unangenehme Nebenwirkung davon, dass wir den Vertrieb der Produkte nicht (mehr) in der Bauernhand haben: Wir haben auch einen großen Teil unserer Verhandlungsposition aufgegeben und sind in ein Feld der Ohnmacht gerutscht. Teilweise kommt sicher auch eine gewisse Resignation dazu.
Damit einher geht die Gefahr, dass wir die Kostenrechnung, die Kostenwahrheit und die "rote Linie der Preisbildung" aus der Hand geben. Konkret geht es um den "Break -Even-Point" – also den Punkt bzw. die Schwelle, an dem die Kosten gleich dem Erlös sind. Wird er überschritten, erwirtschaften wir einen Gewinn. Liegen die Preise darunter, wird unsere Produktion defizitär. Dann sind nicht einmal die Produktionskosten gedeckt. Ein negativer Deckungsbeitrag entsteht. Unter dieser Schwelle wäre es klüger, überhaupt nicht zu produzieren, weil die Produktion allein schon Geld verschlingt und von Fixkosten-Deckung keine Rede mehr ist.
Wir sind allerdings so damit beschäftigt, zu produzieren, dass für betriebswirtschaftliche Überlegungen und wirtschaftliche Entscheidungen kaum mehr Zeit mehr bleibt. Wir versuchen uns und unsere Höfe zu erhalten bzw. zu retten, indem wir versuchen, die Produktion um jeden Preis zu steigern. Das ist ungefähr so, wie wenn man ein Schiff im Sturm auf Kurs halten will. Und der Sturm immer stärker wird. Kurz gesagt: (fast) ein Ding der Unmöglichkeit.
Zugleich stelle ich mir die Frage, ob wir uns bei der Preisbildung mit den „richtigen“ Ansprechpartnern auseinandersetzen? Wir diskutieren, kritisieren und schimpfen mit und über den Handel als Verkaufsinstitution. Sicherlich ist so manche Kritik gerechtfertigt und nur durchs offene Ansprechen kann sich was verbessern. ABER: Den Preis für unsere Urprodukte macht nicht der Handel – sondern die, die unsere Lieferabrechnung schreiben bzw. die Liefervereinbarungen ausstellen. Deren Preis wird in Absprache mit dem Lebensmittelhandel gemacht. Wird in der Mitte schlecht verhandelt, sind wir als Rohstofflieferant Opfer beider Glieder unserer Wertschöpfungskette.
Was bedeutet das jetzt? Wir müssen uns selbst wieder „Verhandlungsmacht“ geben. Die „besten“ Preisverhandlungen kann sicher der Bauer führen, der die Kostenpositionen seiner Arbeit, den Marktwert des Produktes und den definierten Gewinnaufschlag genau kennt. Da stellt sich mir die Frage, kennen wir diese Parameter in jeder unserer Produktionssparten?
Für einen Teil meiner Kollegen Grund genug, aus dem „klassischen“ System auszubrechen. Auf Direktvermarktung zu setzen. Hier wird man unweigerlich dazu „gezwungen“, in direkte Beziehung zum Kunden zu gehen und sich mit der Preisbildung auseinanderzusetzen.
Ist damit die Direktvermarktung der Weisheit letzter Schluss? Sicher nicht bzw. nicht für alle. Aber ein großes Thema, dem ich mich das nächste Mal widmen will. Bis dahin freue ich mich, wenn ihr eure Sicht der Dinge mit mir teilt – kommentieren, schreiben, anrufen. Durchs Reden wird die Welt besser...
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